bildk1Zentrales Thema der Kunst von Rudolf Pühringer ist die Landschaft: Landschaft als gewachsener und vom Menschen gestalteter Umraum, der sich sowohl als Naturraum wie als Architekturraum zeigt. So sehr diese Landschaftsbilder Rudolf Pühringers auf den erkennend einteilenden und aufbauend gestaltenden Geist des Menschen verweisen, so bewußt fehlt durchwegs der Mensch selbst in diesen Darstellungen. Wenn dargestellt, dann tritt er als kleine Staffagefigur in einem proportional überdimensioniert großen Umfeld auf. Der in der Kunstgeschichte für die Romantik des 19. Jahrhunderts geprägte Stilbegriff der „Seelenlandschaft“ drängt sich auf. Doch Pühringers etwa 100 Jahre nach Caspar David Friedrich entstandene Landschaftskompositionen nehmen keinen bildhaft nachgeformten Naturausschnitt als malerische Projektionsfläche für Stimmungskategorien der menschlichen Empfindungswelt. Pühringers Bilder zitieren allerdings diese Form von Naturerfahrung, transformieren sie jedoch in eine streng nach intellektuellen malerischen Prinzipien geformte Bildsprache. Pühringer baut seine Landschaftskompositionen aus farbigen Bildpunkten auf – hier offensichtlich in der Tradition des Pointilismus stehend. Sein Ziel ist jedoch nicht eine mit dieser Technik formulierbare Naturbildbestimmung, sondern seine malerische Bildkonstruktion schafft einen selbständigen malerischen Erfahrungsraum, der auf ein bzw. mehrere in der Natur geschaute Bildsituationen zitathaft verweist. So tritt etwa an Stelle der Lokalfarbe ein entsprechend dem die ganze Bildfläche überziehenden Farbton modulierter Farbwert, der zwar farbpunktgenau im Hinblick auf die zu gestaltende naturnahe Form gesetzt wird, sich jedoch stets in ein größeres chromatisches Bezugsfeld einreiht. In diesem Sinne hält Pühringers Farbgestaltung eine feine Balance zwischen der exakt konstruierten Formulierung von Naturformen und einer selbständig wirksamen Farbtonkomposition.

Der von Pühringer gewählte Blickpunkt auf die Bildkomposition ist durchwegs sehr hoch angesetzt; der Betrachterblick wird daher sehr weit in die Tiefe des Bildes gezogen. Dieser Zug des Betrachterblickes in die Tiefe wird zusätzlich unterstützt durch eine fast immer beobachtbare radikale Symmetrie der Darstellung, die entlang der Symmetrieachse in der Bildmitte eine weit gezogene Blickgasse öffnet. Kompositorisch öffnet sich so der Betrachterlandschaftsraum zu einem weitgezogenen Erfahrungsraum von Weltbetrachtung. Pühringer gelingt es jedoch zugleich, diesen fast als unendlich zu bezeichnenden malerischen Zugriff auf die Landschaft in Frage zu stellen, in dem er die gesamte Landschaftsweite als Oberfläche erfahrbar macht. Sehr präzise verweist Pühringer dadurch auf die sich bei jedem Landschaftsausschnitt stellende Frage nach dem Dahinterliegenden, nach dem verborgenen Mikrokosmos. Pühringer verweist hier auch auf das Grundproblem jeder intensiven malerischen Naturbezugnahme, auf die subjektive Auswahl. Er stellt diesem radikal Persönlichen eine typologisierte Formgestaltung entgegen. So detailliert vielfach Einzelformen wie etwa Blätter von Bäumen gestaltet werden, so sehr erfolgt diese Einzelformulierung in Orientierung auf ein zugrunde liegendes Gesamtschema. Pühringer geht jedoch nicht so weit, das Individuelle des gewählten Landschaftsmotives zur Gänze zu typologisieren, vielmehr setzt er die jeweils vorgestellte Geländesituation in Bezug zur prinzipiellen erkenntnistheoretischen Grunddisposition der Wahrnehmung von Landschaftsbildern. Der latente Verweis auf die übergeordnete Struktur der Erfahrungswirklichkeit wird zudem unterstützt durch die Tatsache, daßdie Bildgrenze als klare Ausschnittsgrenze definiert wird. Der vorgestellte Bildraum geht durchwegs weit über die Bildgrenze hinaus, die sich nur als nach kompositorischen Prinzipien geplante Grenzsetzung definiert. Pühringer gestaltet durch diese stilisierte Naturnähe seiner Landschaftsbilder eine Brücke zwischen der sinnlichen Erfahrungswelt des Betrachters und einer beinahe kulissenhaften Vorstellungswelt. Er verweist darauf, daßsich jede sinnliche Landschaftserfahrung nur in Bezug auf ein Vorstellungskonzept des Betrachters von Landschaft definiert. In der Systematisierung der Darstellungsformen unterstreicht er zudem den Aspekt des zur Ewigkeit des Bildes eingefrorenen Blickmomentes, der sich nur aus der Vorstellung heraus gestalten läßt. Dieser Aspekt wird besonders bei den „italienischen Stadtansichten“ deutlich, die Architekturformen erscheinen nicht wie für einen bestimmten Zeitraum gebaute menschliche Artefakte, sondern wie tektonisch festgefügte Gebilde.

Pühringers Darstellungen verweisen hier sehr präzise auf eine zugrunde liegende historische Struktur der Gestaltwerdung von Architektur: Nicht der momentane und in der Situation faktische Augeneindruck ist ihm wichtig – er befindet sich also weit weg von jedem „lmpressionieren“ -, sondern eine aus dem nachfolgenden zusammenfassenden Bildaufbau erkennbare geschichtliche Entwicklung. Rudolf Pühringers Landschaftsdarstellungen gestalten also eine Art Innenschau von Landschaft, wenngleich sie eine klar „vorgestellte“ Landschaftsschilderung formulieren. Sie sind unter diesem Aspekt zwar dem Surrealismus verwandt, jedoch nicht zuzurechnen. Pühringers Realitätsschilderung in den Landschaften ist hier zu wenig „über“real. Im Hinblick auf die österreichische Kunstgeschichte der Nachkriegszeit erscheint jedoch seine Nähe zu einigen Tendenzen der nachfolgenden Wiener Schule des phantastischen Realismus interessant. Pühringers monumental phantastische Gestaltung mit all ihren intellektuellen Aufgliederungen zieht in diesem Sinne einen verbindenden Bogen zwischen einer stilisierten Landschaftskunst der Jahrhundertwende, beispielhaft etwa Giovanni Segantini, und den schon zitierten Tendenzen der Nachkriegszeit. Nicht nur die großen Formate seiner Bilddarstellungen zeugen von einem absoluten Anspruch auf bleibende künstlerische Gültigkeit, auch seine immer weiter vorangetriebene Differenzierung der individuellen Landschaftsbildgestaltung verweist auf eine Künstlerpersönlichkeit, die mit einem ausgeprägten Kunstwollen agierte. Pühringer war nicht zuletzt aufgrund seiner Reiseerfahrungen und seines Kunstgeschichtestudiums sehr genau über die Kunst seiner Zeit informiert. Er verarbeitete diese Erfahrungen zu einer eigenständigen künstlerischen Position, die jedoch aufgrund des zurückgezogenen Auftretens im Kunstumfeld nur sehr wenig rezipiert wurde. In einer Rezension über Pühringers Ausstellung 1949 im oö. Landesmuseum bezeichnete Wilhelm Jenny den Künstler als in der erkenntnistheoretischen Tradition Goethes stehend. Naturlandschaft sei ihm in erster Linie ein Erkenntnisraum, den es gelte, malerisch zu durchdringen und in Bezug auf die Entwicklung des menschlichen Geistes zu formulieren. In diesem Sinne reflektieren Pühringers Gemälde sehr präzise nicht nur das landschaftliche Sujet, nicht nur die malerischen Möglichkeiten einer Formulierung dieses Sujets, verbunden mit dem Aufbau einer eigenständigen malerischen Wirklichkeit, sondern Pühringer gestaltet auch eine permanente Infragestellung der menschlichen Definition von Landschaft.

Peter Assmann

Rudolf Pühringers Art of Painting

The central theme of Rudolf Pühringer’s art is landscape. Naturally grown landscape or landscape arranged by man, appearing as natural or as architectural space. Even though the landscape pictures refer to the discerning and categorizing as well as the creative and form-giving aspects of man, man himself is consciously and consistently missing in these pictures. When represented at all, he appears as a small staffage figure in proportionally overdimensioned surroundings. The term „seelenlandschaft“ which was coined by art historians for the romanticism of the 19th century comes to mind. But Rudolf Pühringer’s landscape compositions, painted about 100 years after Caspar David Friedrich, do not take a pictorially recreated section of nature and use it as a painter’s sreen for the projection of human thoughts and emotions. Pühringer’s pictures do, however, cite this form of experience of nature, transforming it into a pictorial language formed according to strict intellectual principles of painting. Pühringer’s landscape compositions are made up of coloured dots, and in this respect they are obviously in the pointillist tradition. His goal is, however, not a nature study that can be formulated with this technique, but rather his painting creates an independent pictorial field of experience, which refers as in citation to one or more scenes seen in nature. So, for example, instead of the local colour a colour value modulated according to the hue covering the entire surface of the painting, placed accurately as a colour point with respect to the represented natural form, is always integrated in a greater chromatic field of reference. In this way Pühringer’s colour arrangement keeps a delicate balance between precisely constructed natural forms and an independently effective colour composition.

The view point chosen by Pühringer is always very high; the beholder’s gaze is thereby drawn very deep into the picture. This pull on the beholder’s gaze into the depths is additionally supported by a radical symmetry of the representation, which leaves a sweeping chasm along the axis of symmetry of the picture open to view. By means of the composition, the landscape seen by the viewer opens into a sweeping space in which the world is experienced in contemplation. At the same time, however, Pühringer succeeds in questioning this approach to the landscape, which can almost be called infinite, by making it possible to experience the entire width of landscape as surface. Pühringer thereby refers very precisely to the question of what lies beyond, the hidden microcosm, which arises concerning each landscape section. Here Pühringer also refers to the basic problem inherent in every intensive reference to nature in painting, the problem of subjective selection. He confronts this radically personal aspect with a typologized form-giving aspect. As detailed as single forms, such as leaves on trees, often are, so are these single formulations also oriented towards a basic underlying overall scheme. Pühringer does not, however, go so far as to typologize all that is individual in a selected landscape motive, but rather he places the respective imagined landscape in relation to the cognitive basis of perception of landscape pictures. The latent reference to the structure of experienced reality is, in addition, supported by the fact that the edge of the picture is defined as a clear edge of the section. The imagined area of the picture goes consistently beyond the edges of the pictures which define themselves as borders chosen according to compositional principles. Pühringer builds a bridge between the beholder’s world of sense experience and an almost stage-like world of the imagination by means of his landscape pictures‘ closeness to nature. He refers to the fact that every sensual experience of landscape defines itself only in reference to an imaginary concept of the landscape’s beholder. In the systematization of the represented forms he also underlines the aspect of the momentary view, frozen into eternity in a picture, which can only be created out of the imagination.

This aspect becomes particularily clear in the „Italian urban scenes“, in which the architectural forms do not appear as human artefacts built for a certain amount of time, but rather as tectonically solid entities. Pühringer’s pictures refer here very precisely to the underlying historical structure of the coming into being of architecture. It is not the momentary and visual impression in the actual situation that is important to him- so he is far from any „impressionizing“- but rather a historical development, recognizable from the summarizing composition that follows. Rudolf Pühringer’s landscape paintings create a type of introspection of landscape, even though they formulate a clearly „imagined“ landscape. In this respect they are related to surrealism, but cannot be classified as such. Pühringer’s depiction of reality in the landscapes is too little „super“-real. His proximity to certain tendencies of the Vienna School of Fantastic Realists which came after him is interesting with respect to Austrian art history of the post-war period. Pühringer’s monumental fantastic composition with all its intellectual categorizations spans a connecting arch between stylized landscape art of the turn of the century, for example of Giovanni Segantini, and the post-war tendencies mentioned above. Not only the large format lays claim to absolute permanent artistic validity, but also his differentiation of the individual landscape composition bears witness to an artist personality who acted with a pronounced artistic will. Pühringer was very well informed about the art of his time, not lastly on account of his travel experiences and his studies of art history. He processed these experiences to form an independent artistic position which was, however, little received in the art world because of his withdrawn manner. In a review of Pühringer’s exhibit in 1949 in the „Oberösterreichisches Landesmuseum“ (Provincial Museum of Upper Austria) Wilhem Jenny described the painter as being in the epistemological tradition of Goethe, natural landscape being for him primarily a space of knowledge, to be penetrated by means of painting and formulated with respect to the human spirit. In this sense, Pühringer’s paintings reflect very precisely not only the subject of landscape, not only the possibilities of a formulation of this subject in connection with the construction of an independent reality in painting, but Pühringer formulates a permanent question regarding the human definition of landscape.

Peter Assmann